studium banale

Zur Einführung von BA/MA

Es ist schon seit längerem eine ausgemachte Sache: Im Fachbereich 03 wird ein interdisziplinärer Bachelor-Studiengang Sozialwissenschaften angeboten. Dafür bleibt wohl zuerst der Magisterstudiengang Soziologie auf der Strecke, längerfristig auch alle anderen Magister- und Diplom-Studiengänge an den Instituten für Politikwissenschaft und Soziologie. Außerdem wird es einen Master-Studiengang Konfliktforschung geben. Sowohl die Einführung der neuen Studiengänge und deren Ausgestaltung als auch die Abschaffung der momentanen Studiengänge wurden unter geringstmöglicher Beteiligung der Studierenden beschlossen. Inzwischen ist daran wohl nichts mehr zu ändern.

Das neue Studienkonzept

Die Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen ist eine Maßnahme, die im Zuge des Bologna-Prozesses zur Vereinheitlichung der Hochschul-Bildungssysteme der EU-Staaten durchgeführt wird. Sie wurde in der BRD durch die Novelle des Hochschulrahmengesetzes 1998 ermöglicht. Hierin ist auch festgelegt, dass ein Bachelor-Studiengang 3 bis 4 Jahre, ein auf ihn aufbauender Master-Studiengang dann nochmal 1 bis 2 Jahre dauern soll. Momentan sind die Bachelor- und Master-Studiengänge zwar nur ›Studiengänge auf Probe‹, werden die herkömmlichen Studiengänge aber nach und nach ablösen. Sind sie aber erst einmal flächendeckend eingeführt (bisher gibt es bereits über 1000 in der BRD), dann wird es kein Zurück mehr geben, schon aus Kostengründen nicht.

Die Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen ist zunächst einmal Ausdruck eines – zumindest für die BRD – neuen Wissenschaftskonzeptes. Die von vielen Seiten in herabsetzender Absicht so genannten »Massenhochschulen« sollen schrittweise der Vergangenheit angehören. Dabei ist alleine das Wort »Massenhochschulen« schon irreführend. Zum einen studieren in Deutschland im Vergleich mit anderen Industriestaaten unterdurchschnittlich wenige Personen. Zum anderen impliziert dieses Wort eine Offenheit des Hochschulzugangs, die bei weitem nicht gegeben ist. Momentan reicht die universitäre Infrastruktur für die Anzahl der »Studierwilligen« aber trotzdem nicht aus. Dafür gibt es zwei Lösungen: entweder den Ausbau der Hochschulen oder ein effektiveres Abfertigen der Studierenden. Der Trend geht eindeutig zu Zweiterem.

Auch sollen die Ressourcen, die in Bildung und Wissenschaft investiert werden, intensiver für den internationalen Wettbewerb und die Standortsicherung genutzt werden.

Mit der Unterscheidung in Bachelor- und Master-Abschlüsse wird eine neue Hierarchie in den Hochschulen eingeführt. Im sogenannten konsekutiven Studienmodell soll das Bachelor-Studium »grundlegende Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen«, Fachsprache und -systematik sowie einen Zugang zur Praxis vermitteln. Das eigentliche wissenschaftliche Studium findet im Master-Studium statt. Hier soll der wissenschaftliche Nachwuchs herangezogen werden.

Sowohl Bachelor als auch Master sollen in erster Linie eine Berufsausbildung leisten. Der Gedanke dahinter ist der, dass Bachelor-AbsolventInnen im Berufsleben als AnwenderInnen gebraucht werden, während die zukünftigen EntwicklerInnen aus den Reihen der Master-AbsolventInnen rekrutiert werden.

Bei der von politischen Parteien, Regierungen und Wirtschaft forcierten Konzeption eines möglichst effektiven Studiums soll durch die stringenteren neuen Studiengänge – zusätzlich unterstützt durch unabhängig davon einzuführenden Langzeitstudiengebühren – die durchschnittliche »Verweildauer« von Studierenden an den Hochschulen verkürzt und nach Kriterien der Verwertbarkeit reguliert werden. Ein Mittel hierzu sind unter anderem studienbegleitende Prüfungen – an Stelle von ausgedehnten Abschlussprüfungen.

Im Wettbewerb der Hochschulen um die knapp gehaltenen staatlichen Zuwendungen wird bei der Ausgestaltung neuer Studiengänge vor allem auf Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der einzelnen Hochschule geachtet. Eine möglichst enge Ausrichtung an marktwirtschaftlichen Kriterien ergibt sich da wie von selbst. Die Anforderungsprofile der Wirtschaft an ihre zukünftigen Angestellten bestimmen, wie und was studiert werden kann.

Als Mittel gegen die hohe AbbrecherInnenquote an den deutschen Hochschulen angepriesen, verfehlt die neue Studienkonzeption komplett ihre Wirkung. Statt dessen sorgen strenge vorgeschriebene Fristen für Scheinerwerb und Prüfungen für eine weitere Entlastung der BAföG-Ämter.

Durch Modularisierung und Kreditpunktesystem soll der Wechsel zwischen verschiedenen Hochschulen erleichtert werden. Studierende sollen sich schon mal in Mobilität üben. Doch diese Mobilität zwischen den Hochschulen hat auch Schattenseiten, denn um sie zu gewährleisten, müssen Studienabfolgen und -inhalte hochschulübergreifend einander angeglichen werden, was zu einer weiteren Reduktion der jetzt schon kaum noch erkennbaren Vielfalt der Lehre führen wird. Viel nötiger wäre eine unkomplizierte Anerkennung von an anderen Hochschulen erbrachten Leistungen bei Ausweitung der Diversität von Studienschwerpunkten zwischen und an den einzelnen Hochschulen.

Bachelor

Im Vergleich zum herkömmlichen Magister- oder Diplomstudium bedeutet ein Bachelor-Studium eine Zunahme des Studienvolumens pro Semester für die Studierenden bei eingeschränkter Wahlfreiheit bezüglich Fächern und Veranstaltungen. Zusätzlich werden wahrscheinlich durch Prüfungen in jeder einzelnen Veranstaltung die formalen Ansprüche nochmal erhöht. Bedenkt man, dass knapp 70% Prozent aller Studierenden neben dem Studium noch jobben und 5% Prozent sich ihr Studium gar komplett selbst finanzieren müssen, kann man sich vorstellen, dass die »Verschlankung« der Massenuniversitäten zuerst auf Kosten dieser Personen stattfinden wird.

Das Bachelor-Studium ist extrem verschult und verregelt. Ein sogenanntes Kerncurriculum kann und muss mit Wahlpflichtveranstaltungen ausgebaut werden. Die fächerübergreifende Modularisierung von Studiengängen soll zwar ein individuelles Zusammenstellen des eigenen Studiums ermöglichen, das wird jedoch durch vorgegebene Pflichtmodule und enge Zeitplanung wiederum unmöglich gemacht und stellt sogar einen Rückschritt in den Bemühungen um ein selbstbestimmtes Studium dar. Hier wird noch weniger Raum gelassen für ein spaß- oder interessegeleitetes Studium.

Das Bachelor-Studium ist generell entwissenschaftlicht und auf Praxisorientierung zentriert. Dieses Konzept ist nicht vereinbar mit dem Ideal eines Studiums, das Empirie, Theorieentwicklung und Forschungsorientierung als unabdingbare Merkmale prinzipiell jeder Studienphase voraussetzt und für das eine Entkopplung von Forschung und Lehre stets mit Erkenntnisverlust einhergeht.

Master

Der Master-Studiengang ist weitaus stärker fachlichwissenschaftlich qualifiziert und qualifizierend als ein Bachelor-Studiengang.

Durch seine Einführung wird der soziale Numerus Clausus weiter verschärft. Es ist zu erwarten, dass Studierende mit geringeren finanziellen Möglichkeiten sich vermehrt mit dem ›kleinen‹ Abschluss Bachelor zufrieden geben müssen, der in der Wirtschaft z.B. nicht als einem Magister- oder Diplom-Uniabschluss gleichwertig angesehen wird. Denn dadurch, dass der Bachelor als erster berufsqualifizierender Abschluss gilt, würde hier auch die relativ unumstrittene Erhebung von Studiengebühren für ein Zweitstudium greifen. Nach der letzten Novellierung des BAföG ist zwar eine Förderung auch von Master-Studiengängen vorgesehen, allerdings wird neben anderem ein enger thematischer Zusammenhang zwischen Bachelor- und Master-Studiengang verlangt. Da die Universitäten häufig BA/MA-Kombinationen planen, bleibt ein Studienortwechsel schwierig.

Zur Elitenbildung tragen desweiteren eine Selektion derjenigen bei, die überhaupt zu einem solchen Studium zugelassen werden, denn der Bachelor alleine ist nicht anspruchsbegründend für ein Master-Studium. Die Selektion kann entweder anhand der Bachelor-Abschlussnoten, oder von Zugangsprüfungen erfolgen. Diese Praxis folgt einem einfachen funktionalen Kalkül: Nur diejenigen sollen einen Master machen, die für die Sicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses vonnöten sind. Doch dieses Vorgehen versperrt einem weiteren Teil der Studierwilligen den Zugang zu einem wissenschaftlichen Vollstudium.

Das ›Modernisierungsprojekt‹ des neuen gestuften Studienmodells bedeutet einen weiteren Schritt in die falsche Richtung, noch weiter fort von der Möglichkeit eines selbstbestimmten, interessegeleiteten und selbstverantwortlichen Studiums. Ein Schritt, der wieder einmal auf Kosten der materiell schlechter Gestellten getan wird.

Bildungspolitik sollte aber möglichst vielen Menschen den Zugang zu wissenschaftlicher Bildung ermöglichen. Diese kann nicht in der Verabreichung ›richtiger‹ Erkenntnisse bestehen und auch nicht an der Nützlichkeit für extern vorgegebene Zwecke gemessen werden.

(tk)

sputnik