Wer sich in diesen Tagen unter GlobalisierungsgegnerInnen oder anderen KritikerInnen dieser Gesellschaftsordnung herumtreibt, kommt kaum um das Kürzel herum. Das Abkommen, das mit dieser Abkürzung beschrieben wird, ist zum Paradebeispiel von Privatisierungen in der globalisierten Ökonomie geworden. Da von den vorgeschlagenen Maßnahmen das Bildungswesen stark betroffen ist, regt sich auch in studentischen Kreisen und an den Schulen Protest. Doch wie so häufig kommt auch hier eine Kritik, die sich auf einzelne Aspekte einer zusammenhängenden Gesellschaft konzentriert, nicht ohne Verkürzungen aus. Grund genug, einmal zusammenzufassen, was das GATS ist, warum es schlecht ist und wie es (nicht) zu kritisieren ist.
Die Verhandlungen zum General Agreement on Trade in Services (GATS) laufen bereits seit 1994/1995 zwischen den Ländern, die der World Trade Organization (WTO) angehören. Ohne Einschaltung der Parlamente wurden grundlegende Kriterien für den Handel mit Dienstleistungen festgelegt, die v.a. eine Harmonisierung der entsprechenden nationalen Gesetze beinhalten.
Ziel ist die umfassende Privatisierung aller Dienstleistungsbereiche und der freie Zugang zu den neu geschaffenen privaten Bereichen für alle Unternehmen der Vertragsstaaten. Das heißt z.B. im Fall der Bildung: Private (Hoch-)Schulen dürfen gegenüber staatlichen nicht schlechter gestellt werden, der Wettbewerb zwischen verschiedenen (Hoch-)Schulen um (Hoch-)SchülerInnen soll gefördert werden.
In allen Bereichen entsteht eine Umverteilung von den sowieso schon zusammengeschrumpften staatlichen Diensten hin zu gewinnorientierten privaten. Zu kurz greifende Kritik am GATS nimmt dann den Bedeutungsverlust des Staates an sich als Bedrohung war, ohne über Inhalte reden zu wollen. Dabei wäre es ja schon einer Erklärung wert, warum in Zeiten, in denen jede staatliche Maßnahme auf ihren finanziellen Ertrag hin überprüft wird, die Ausbreitung privater Dienstleister in bislang staatlich organisierten Bereichen schlimm sein soll.
Gleichsam inhaltsleer ist die Kritik aus dem Umfeld demokratiefixierter GlobalisierungskritikerInnen, v.a. von attac oder Gewerkschaften am undemokratischen Zustandekommen des Abkommens. Ganz so, als wäre etwas anderes dabei herausgekommen, wenn statt ExpertInnengruppen die Parlamente den Text ausgehandelt hätten. Wären diese Verhandlungen unter den Augen der Öffentlichkeit abgelaufen, ginge dem Thema lediglich seine verschwörungstheoretische Würze abhanden.
Selbstverständlich bringt (besser: verstärkt) die Umsetzung des GATS einschneidende Veränderungen, die zu bekämpfen sind: Dumpinglöhne, Abbau der Solidarsysteme im Bereich Gesundheit und Rente, Schleifung der letzten kritischen Nischen in den Hochschulen usw. Die Anpassung der universitären Abschlüsse ans Bachelor/Master-Modell führt zum weiteren Ausschluss ärmerer Bevölkerungsgruppen.
Diese Veränderungen sind notwendige Folge des jahrzehntelangen neoliberalen Kurses, allein ihre Bündelung in einem großen Paket scheint einige der KritikerInnen auf den Plan gerufen zu haben.
Die Alternative zu Privatisierungen heißt nicht »Reform des Sozialstaats« (d.h. Abbau der Sozialsysteme) oder »Schutz des Nationalstaats«. Der nationale Protektionismus zielt nur darauf, die ›nötigen‹ Änderungen unter Spar- und und »Sachzwängen« selbst durchzuführen.
Denjenigen, denen die Löhne gekürzt, der Job gekündigt oder der Bildungsabschluss verbaut werden, kann (und sollte) es egal sein, ob Wolfgang Clement, die Stadtwerke Marburg oder ein spanisches Busunternehmen den entscheidenden Schritt vollzogen haben.
Ein wenig helfen würde ja schon eine zaghafte Gegenwehr, z.B. durch die Gewerkschaften. Aber wie die von ver.di gefeierte Tarifeinigung für den öffentlichen Dienst abermals zeigt: Im Moment sichern die deutschen Gewerkschaften lieber im Gleichschritt mit der Regierung den Standort, als auf wahrnehmbarer Lohnerhöhung, Arbeitszeitverkürzung oder Beschäftigungsgarantie zu bestehen. So werden die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer, und das funktioniert mit und ohne GATS.
Da aber bei liberalen WirtschaftsfunktionärInnen oder in der FAZ, in der steht, was deutsche PolitikerInnen morgen denken werden, bereits die staatliche Ausgabe von Verkehrsknöllchen als Hauch von Sozialismus gilt, bedeutete eine wirksame Gegenwehr wohl, deutlich über einen Hauch des Sozialismus hinauszugehen...
The only solution: Revolution!
(im)