einfach. besser. mehr.

Studiengebühren jetzt überall

Vor ein paar Jahren wurde noch die Einführung von Gebühren für so genannte ›LangzeitstudentInnen‹ kontrovers diskutiert. Nun bewahrheiten sich die Prognosen, es habe sich dabei nur um einen Testlauf für allgemeine Gebühren gehandelt, schneller als erwartet.

Alle sind dafür. Auch die PDS, die bisher unter GegnerInnen von Studiengebühren gewisse Sympathien besaß, diskutiert nun ergebnisoffen über die Aufgabe ihrer allgemeinen Absage an Gebühren. In Berlin, wo die PDS in der Regierung mit der SPD jede noch so große Schweinerei mitmacht, die sich selbst die CDU nicht getraut hätte, spricht sich der PDS-Bildungssenator nun für Studiengebühren im Erststudium aus.

Die Einführung von Studiengebühren ist schon lange nicht mehr eine Forderung, die nur von der Rechten erhoben wird. Die Grünen versuchen seit Jahren – in letzter Zeit erfolgreicher – ihre Modelle von nachträglichen Gebühren für berufstätige Ex-StudentInnen zu bewerben. Die SPD sieht in Studiengebühren ebenfalls ein Mittel, die chronisch leeren Haushaltskassen ein Stück weit zu füllen. Allerdings ist bei den bisher verhandelten Gebührenhöhen klar, dass die dadurch erzielten Staatseinnahmen die Lücken in den Bildungshaushalten nur zu einem kleinen Teil ausgleichen können. Die Gebühren dienen auch der Implementierung einer veränderten Sichtweise auf (fach-)universitäre Bildung: Bildung ist eine Ware, die Unis sind Anbieterinnen, die StudentInnen NachfragerInnen oder besser: KundInnen. Ihr Studium soll nicht der individuellen Entwicklung, der Befriedigung von Interessen und Spaß oder einem allgemeinen Bildungsideal dienen, sondern ist eine private Investition in das »Humankapital«. Wie bei jeder Investition müssen Ausgaben (Gebühren) getätigt werden, um am Ende eine Rendite (hohes Einkommen) zu erzielen. CDU, FDP und Schill-Partei (regiert in Hamburg mit) zögern auch nicht, diesen Punkt hervorzuheben. Die bisher schon gegen »LangzeitstudentInnen« erprobte Beschimpfung als Faulenzer, Drückeberger oder Unqualifizierte wird nun langsam als Generalverdacht auf alle StudentInnen bezogen.

Rechtlich ist die Situation zur Zeit so, dass der Bundestag Studiengebühren für das Erststudium verboten hat, sonstige Gebühren (für Zusatzangebote, Zweitstudium, Überschreitung der Regelstudienzeit) aber zugelassen sind. Ausnahmen sind auch jetzt schon möglich, vgl. die geplante Einführung von Gebühren in Höhe von ca. 6.000 EUR pro Jahr an der TU München. Die Bundesländer stören sich daran, dass der Bundestag hier aktiv geworden ist, weil die Bildung in den Bereich der Länderhoheit fällt.

In letzter Zeit machten außer besagtem PDS-Senator in Berlin auch andere Landesregierungen mit Vorstößen pro Gebühren von sich reden. Die Hamburger Regierung beteiligt sich an einer Klage von Bayern und Baden-Württemberg gegen das Verbot von Studiengebühren. Außerdem sollen dort ab dem nächsten Jahr Gebühren von StudentInnen, die ihren Erstwohnsitz nicht in der Stadt haben, erhoben werden; ausländische StudentInnen zahlen bis über 10.000 EUR pro Semester, Überschreitungen der Regelstudienzeit sollen ab kommendem Wintersemester 500 EUR pro Semester kosten. Nordrhein-Westfalen hat am 22. Januar die Einführung von ›Studienkonten‹ beschlossen, die nichts anderes als Studiengebühren für zu langes Studium darstellen. Menschen, die in Prüfungen durchfallen und diese wiederholen müssen (in Fächern wie VWL, Jura oder Mathematik sind Durchfallquoten von über 50% nicht ungewöhnlich), verbrauchen ihr Studienkontoguthaben oder ihre »Bildungsgutscheine« (so sollen die Gebühren heißen, die die hessische Landesregierung nach der Wahl einführen will) eben schneller und müssen zahlen. Im Südwesten Deutschlands werden in einigen Bundesländern schon jetzt Gebühren für zu langes Studieren fällig, in den SPD-regierten nördlichen Bundesländern werden demnächst eher Studienkontenmodelle eingeführt. Relativ günstig sieht es im Moment noch im Osten aus. Die Einführung von Gebühren in vielen Ländern liefert den Ländern, die bisher Gebühren noch ausschließen, ein zusätzliches Argument: Wollen sie nicht von faulen BummelstudentInnen, die aus den anderen Ländern fliehen, »überschwemmt« werden, müssen sie nachziehen. Allen Gebührenmodellen gemeinsam ist, dass die Gründe, die zu einem verlängerten Studium führen, nicht interessieren.

Sollten sie auch gar nicht.

Relativ erfreulich ist es daher, dass einige StudentInnenvertretungen (Asten, Fachschaften, Dachverände) Gegenwehr versuchen. Allerdings sind die Erfolgsaussichten gering. In NRW schafften die StudentInnen es nur, die Einführung bis nach der Bundestagswahl zu verschieben. Die große Zahl der StudentInnen scheint sich nicht für das Thema zu interessieren, jedenfalls nicht genug, um sich aktiv in die Proteste einzumischen.

Problematisch an dem Widerspruch zu Studiengebühren ist häufig seine Beschränkung auf die Lobbyarbeit für die eigene Gruppe. Dass Studiengebühren nicht alle (potentiellen) StudentInnen gleich treffen, wird kaum thematisiert. Die Einführung von Gebühren für das Erststudium hat so lange nur wenige interessiert, wie sie nur auf LangzeitstudentInnen bezogen waren. Dass StudentInnen mit und ohne Studiengebühren sich immer noch in einer privilegierten Situation innerhalb dieser Gesellschaft befinden, wird ausgeblendet. Wie hieß es auf einer Vollversammlung des letzten Studi-Streiks in Marburg (1997/98) doch: »Wir streiken hier doch nicht für Asylbewerber.« Deshalb muss eine linke Abwehr von zusätzlichen Gebühren immer auch die gesamtgesellschaftliche Situation berücksichtigen, von elitärem Gehabe absehen und soziale Gleichheit für alle Menschen einfordern.

(fw)

sputnik