Prekär beschäftigte Studierende

Interview zu den Beratungsangeboten des DGB

Students@work und Campus Office – die DGB-Jugend bietet in neuen Formen Beratung für Studierende an. sputnik sprach mit Cornelia Dörries, Jugendbildungsreferentin im DGB-Jugendbüro Mittelhessen, und Benjamin Weigel, Referent für studentische Beschäftigte des AStA Marburg.

sputnik: Von der DGB-Jugend wurde das Projekt ›Students@work‹ gestartet. Was steckt dahinter?

CD: Students@work ist ein Beratungsprojekt für erwerbstätige Studierende. In Deutschland gibt es 1,8 Millionen Studierende, davon arbeiten 1,2 Millionen, d.h. gut zwei Drittel aller Studierende arbeiten neben ihrem Studium. Vollzeit arbeiten 27% der erwerbstätigen Studierenden, 73% Teilzeit. Die wenigsten Studierenden sind richtig gut darüber informiert, wie die arbeitsrechtlich Situation in ihren Jobs aussieht, welche Rechte sie als erwerbstätige Studierende haben. Das Projekt Students@work ist ein Beratungsprojekt der DGB-Jugend, welches in Kooperation mit dem AStA der Universität Marburg durchgeführt wird.

sputnik: Welche Ziele werden mit dem Projekt verfolgt? Welche Bestandteile hat das Projekt?

CD: Das Projekt Students@work hat vier Zielsetzungen: Erwerbstätige Studierende sollen in arbeitsrechtlichen Fragen beraten werden. Durch die begleitende Öffentlichkeits- und Pressearbeit soll eine Sensibilisierung für die Bedeutung studentischer Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft geschaffen werden. Das Problembewusstsein für die häufig prekären Jobverhältnisse soll auch bei Studierenden gestärkt werden. Und der Bekanntheitsgrad von Gewerkschaften soll bei der Zielgruppe erhöht werden. Ein Teil des Projekt besteht aus so genannten Campus Offices vor Ort, also Termine im AStA der Uni Marburg, wo GewerkschaftssekretärInnen als AnsprechpartnerInnen zur Verfügung stehen und erwerbstätige Studierende mit ihren Problemen und Fragen rund um die Arbeitswelt beraten werden und sich Hilfe holen können. Unterstützt wird dies durch eine umfangreiche Broschüre und eine Online-Beratung, die unter www.studentsatwork.org im Internet eingestellt ist, wo sich Studierende mit speziellen Fragen beraten lassen können. Das ganze Projekt wird durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begleitet.

sputnik: Beim Campus Office arbeiten DGB-Jugend und AStA Marburg zusammen. Was verspricht sich der AStA Marburg davon?

BW: Wir wollen damit das Beratungsangebot für Studierende erweitern und die Studierenden über ihre Rechte am Arbeitsplatz aufklären.

sputnik: Wie sieht das Campus Office in Marburg konkret aus?

BW: Das Campus Office findet jeden ersten Montag im Monat von 12 bis 14 Uhr statt. Studierende können dann in den Besprechungsraum des AStA kommen. Dort finden sie GewerkschaftssekretärInnen, abwechselnd von NGG, ver.di und GEW. Man wird spezifisch zu den eigenen Problemen beraten.

sputnik: War die Auswahl der beratenden Gewerkschaften beabsichtigt?

CD: Ja, weil viele Studierende im Gaststättenbereich tätig sind und dort Teilzeitjobs haben, die entsprechende Gewerkschaft ist die NGG (Nahrung Genuss Gaststätten). Ver.di ist die Ansprechpartnerin für Studierende im Dienstleistungsbereich.

BW: Die GEW ist für alle Studierenden im Wissenschaftsbereich zuständig, also für alle studentischen Beschäftigten und für alle angehenden Lehrerinnen und Lehrer sowie Pädagoginnen und Pädagogen und hat dementsprechend auch ein Interesse an der Beratung.

sputnik: Students@work spricht also explizit nicht nur Studierende an, die an Hochschulen beschäftigt sind, sondern auch oder vor allem darüber hinaus alle jobbenden Studierenden…

CD: Students@work ist ein Beratungsangebot für alle Studierenden, die erwerbstätig sind, es macht keinen Unterschied, ob man als Taxi­fah­rer oder -fahrerin arbeitet, in der Kneipe jobbt oder an der Uni arbeitet.

sputnik: Gibt es im Rahmen des Referats für studentische Beschäftigte noch eine spezielle Beratung für die an der Hochschule beschäftigten Studierenden?

BW: Die studentischen Beschäftigten an der Uni können ganz normal zum Campus Office gehen, wenn sie Fragen haben, aber es gibt auch ein spezielles Campus Office Angebot der GEW am ersten Montag im September, dem 06.09. Die ›Hiwis‹ können sich natürlich auch direkt an das Referat für studentische Beschäftigte wenden. Wir haben im Semester eine Sprechstunde und sind über die E-Mail-Adresse hiwi@asta-marburg.de zu erreichen. Weitere und aktuelle Infos gibt es auch auf der AStA-Home­page (www.asta-marburg.de).

sputnik: Oft ist es nicht mit einer ersten Beratung getan, es können sich neue Fragen ergeben, oder es bleiben Fragen offen. Wie kann es dann weitergehen?

CD: Das erste Beratungsgespräch ist kostenlos und steht allen frei, die ins Campus Office kommen und nach Beratung fragen. Sollten sich spezielle Fälle ergeben, die eine Nachbetreuung verlangen, gibt es die Möglichkeit, dass diese Personen Gewerkschaftsmitglied werden, an ihre Mitgliedsgewerkschaft verwiesen werden und dass da eine intensivere Betreuung ihres Falles stattfindet. Oder wir versuchen, Kontaktadressen von AnsprechpartnerInnen von weiteren Institutionen weiterzugeben. Das kommt jedoch auf die spezielle Frage an.

sputnik: Das Campus Office gibt es ja nicht nur in Marburg. Wie sieht die Umsetzung in Hessen und bundesweit aus?

CD: Students@work ist ein bundesweites Projekt. In Hessen sind wir momentan an verschiedenen Standorten vertreten: in Kassel, Darmstadt, Fulda und jetzt in Marburg. Perspektivisch soll es in diesem Jahr auf weitere Hochschulstand­orte ausgedehnt werden.

sputnik: Welche typischen Probleme werden in diesen Beratungen angesprochen?

BW: Zum einen gibt es bezüglich des Kündigungsschutzes ganz große Probleme, wobei die Studierenden häufig gar nicht informiert sind und nicht wissen, dass sie in vielen Fällen Kündigungsschutz haben. Die schlechte Bezahlung ist auch ein ganz großes Problem; wechselnde Arbeitszeiten, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kommen gerade in prekären Beschäftigungsverhältnissen vor wie bei Jobs in Kneipen oder im Kino. Auch bei den an der Uni beschäftigten Studierenden treten diese Schwierigkeiten auf.

sputnik: Welche Ratschläge würden Gewerkschaften bei diesen typischen Problemen geben?

CD: Die Kollegen und Kolleginnen, welche die Beratung vor Ort durchführen, sind arbeitsrechtlich geschult und wissen, welche Rechte erwerbstätige Studierende haben oder wie die allgemeine Gesetzeslage aussieht, können also ganz konkrete Hinweise geben. Bei der Beratung können mögliche Reaktionen durchgesprochen werden, wie man sich bei diesen Problemen verhalten sollte, welche Kontakte hergestellt werden sollten, wie man mit dem Arbeitgeber kommunizieren sollte.

sputnik: Gerade in prekären Beschäftigungsverhältnissen ist es oft ein Problem, die Rechte, von denen eineR in der Beratung erfahren hat, auch einzufordern. Wie können die Beschäftigten hier vorgehen?

CD: Ich möchte zuerst einen Schritt zurückgehen: Bevor man etwas einfordern kann, muss man über die Rechte aufgeklärt sein. Viele erwerbstätige Studierende wissen eben nicht, wo ihre Rechte liegen und wie die Gesetzeslage aussieht. Weiß man das, kann man gegen­über dem Arbeitgeber ganz anders auftreten, und wir haben die Erfahrung gemacht, wenn man die Rechte auch konkret einfordert, dass dann auch darauf eingegangen wird. Das Problem besteht eher darin, dass die Leute gar nicht wissen, wie ihre Rechte aussehen. Zum zweiten gibt es in größeren Betrieben Personal- oder Betriebsräte, zu denen wir Kontakte herstellen können. Betriebsräte sind Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen, nehmen sich solcher Probleme an und versuchen, eine Lösung im Betrieb herbeizuführen.

BW: Dazu gibt es noch die Möglichkeit, sich zu organisieren innerhalb des Betriebs, der Kneipe, des Kinos usw., um dann eben geschlossen die Forderungen vertreten zu können.

CD: Sollte es zu einem Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber kommen, gibt es für Gewerkschaftsmitglieder auch die Möglichkeit, sich kostenlos vertreten zu lassen, also Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen; dieser Fall würde vor Gericht vertreten und alles Weitere diesbezüglich in die Wege geleitet werden.

sputnik: Wie sieht es an der Uni aus mit der Vertretung der studentischen Beschäftigten?

BW: Für die studentischen Beschäftigten gilt – leider – ein Sonderfall. Sie haben keine Vertretung im Personalrat, sie werden im Personalvertretungsgesetz ausdrücklich ausgeschlossen. Es wird darauf verwiesen, dass das Vertretungsorgan der Studierenden der AStA ist, deswegen wurde das Referat für studentische Beschäftigte auch eingerichtet; so können die studentischen Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber vertreten werden.

sputnik: Eine allgemeine Frage: Wie würdet Ihr aktuell das Verhältnis zwischen Studierenden und Gewerkschaften beschreiben?

BW: Eine pauschale Aussage ist schwierig zu treffen. In der Öffentlichkeit sind die Gewerkschaften relativ stark unter Beschuss und stehen somit auch bei einigen Studierenden nicht sonderlich gut da und gelten als Reformbremse, aber andere Studierende, die sich näher damit beschäftigt haben, stehen den Gewerkschaften sehr wohl offen gegenüber und wissen auch, wie sinnvoll Gewerkschaften sind.

CD: Studierende sind eher eine Gruppe von Personen, in der Gewerkschaften nicht so sehr bekannt sind wie z.B. bei angestellten ArbeitnehmerInnen. Um die Bekanntheit der Gewerkschaften und ihrer Rolle in der Gesellschaft auch an den Universitäten zu steigern, wurde das Projekt Students@work u.a. ins Leben gerufen.

sputnik: Warum meint Ihr, dass das Verhältnis nicht das beste ist? Warum sind Studierende besonders schwer für gewerkschaftliche Themen zu interessieren und mobilisieren?

CD: Ich würde nicht sagen, dass das Verhältnis schlecht ist, sondern dass bei vielen Studierenden die Gewerkschaften als Thema nicht präsent sind, weil Studierende an der Hochschule sind, noch nicht voll im Arbeitsleben integriert sind, sich aufs Studium konzentrieren müssen – gerade bei Studierenden, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, kommt die Doppelbelastung dazu (Studium und Erwerbstätigkeit) – und dass in der konkreten Lebens­situation der Blick auf Gewerkschaften noch nicht so geschärft ist.

sputnik: Und das, obwohl zwei Drittel aller Studierenden neben dem Studium jobben?

CD: Studierendende sind zwar erwerbstätig, aber meist in einem klassischen Nebenjob, sprich: Das Studium überwiegt. Es ist auch ein Job, den man auf gewisse Zeit macht, bevor man nach dem Studium sich den ›richtigen‹ Job sucht und sich dann wirklich ins Arbeitsleben integriert.

sputnik: Welche Hoffnungen verbinden Gewerkschaften mit dem Projekt Students@work?

CD: Das sind im Prinzip die vorher genannten Ziele: Dass die Öffentlichkeit für die Ziele der Studierenden sensibilisiert wird, dass die Studierenden sich aber auch selbst sensibilisieren für ihre Situation in der Erwerbsarbeit, also vielleicht auch Arbeitsverhältnisse kritisch hinterfragen in prekärer Beschäftigung. Und wir wollen auch die Bekanntheit von Gewerkschaften und deren Aufgaben unter den Studierenden erhöhen.

sputnik